ABT. RAUBKOPIE
Als ich neun Jahre alt war, entdeckte ich das Mad-Magazin. Ich wurde schnell ein riesiger Fan und begann, Antiquariate nach alten Ausgaben zu durchstöbern (Ich habe auch das neue deutsche Mad von Panini Comics gelesen, aber nichts geht über die Herbert-Feuerstein-Hefte!). Als Kind neigte ich dazu, alles, was ich toll fand, direkt zu kopieren. Ich gründete eine eigene Satirezeitschrift namens Grips, die in nahezu jeder Eigenschaft verdächtig viele Parallelen zu Feuersteins Mad aufwies. Das Logo, die Leserbriefseite und die Antworten der Redaktion, die Abteilungen, die Comics inspiriert von Sergio Aragones und Don Martin, mein Spion & Spion-Ripoff Agent & Agent... eine Handvoll Witze waren sogar eins zu eins geklaut. Was noch am Originellsten war, war der Hund Willi I. Wuff als Ersatz für Alfred E. Neumann.
Wenn ich mir die alten Hefte jetzt so ansehe, war mein Hauptziel wahrscheinlich, meinen Familienmitgliedern den letzten Cent aus der Tasche zu ziehen, denn jede Ausgabe ist mit verdächtig vielen Hinweisen, die Zeitschrift zu abonnieren und das nächste Heft zu kaufen, gefüllt! Darüber hinaus wurde der Preis relativ schnell von nur noch einem Euro auf nur noch einen Euro fünfzig erhöht. Erschreckend, was für ein dreckiger Kleinkapitalist ich damals war.
Leider war ich zu dieser Zeit noch mitten dabei, Computer und das Internet kennenzulernen, dementsprechend professionell war Grips aufgemacht. Die ersten paar Ausgaben waren noch von Hand mit Bleistift (oder noch besser: mit schwarzem Buntstift!) geschrieben, bei den späteren habe ich auf dem PC meiner Großeltern den Text in Word "gelayouted", ihn anschließend ausgedruckt und dann darauf die Zeichnungen angefertigt. Eine digitale Version gab es nie.
Ebenso exzellent war die stets korrekte Rechtschreibung. Mein Favorit ist Köphen statt Köpfchen (Wir haben viel zu viel Köphen, als dass wir uns mit der Schreibweise von solch irrelevanten Wörtern aufhalten können!). Genauso dähmlich war nähmlich mit H. Gab's da nicht mal so einen Spruch, um sich das zu merken?
Mich überrascht, wie viel Fantasie ich damals noch hatte – anscheinend genug, um diese mehr als unverständlichen Ohne-Worte-Cartoons zu verstehen! Manche Cartoons sind teils sehr absurd, teils möchte ich mich von mir selbst distanzieren – in anderen Aspekten war Grips aber woke af, schon 2011 haben wir kritischer über die Klimakatastrophe berichtet als die gesamte deutsche Medienlandschaft 2019!
Die Kopie von Mads Leserbriefseite war aber leider nur halbwegs gelungen weil uns nie irgendwelche Leserbriefe erreicht haben. Kritisch! Ich bin dann auch erst in der allerletzten Ausgabe auf die selten geniale Idee gekommen, mir einfach selbst irgendwelche auszudenken. Dass Grips zu einem traurigen Ende kommen würde, war wohl auch schon spätestens dann klar, als wir gelbe Schrift (Times New Roman) auf weiß druckten.
Etwa ein Jahr später, Mai oder Juni 2012, gab es dann aber einen Relaunch von Grips – mit ein paar Mitschülern kam ich auf die Idee, eine Art Schülerzeitung zu gründen, die auch mit vielen Comics gefüllt ist (Sie hieß Comix), und wo wir schon mal dabei waren, habe ich Grips auch noch wiederbelebt. Somit haben wir den Relaunch schon sechs Jahre bevor Mad es getan hat gemacht. Score! Wie man sich vielleicht denken kann, haben weder Comix, noch das neue Grips mehr als eine Ausgabe gesehen, aber diese eine Ausgabe finde ich sogar unironisch gut. Ich dachte immer, mein Peak sei 2013 gewesen, aber anscheinend war das doch schon früher.
Vielleicht hätten wir noch weitere Ausgaben mit Nachdrucken von altem Material herausgeben können, damit die Mad-Kopie perfekt gewesen wäre, aber hey, wir haben zwar überdimensional viel Grips, aber das erlaubt uns leider nicht, hellzusehen!
Die zweite Seite dieser Ausgabe ist leider verloren gegangen. Das ist sehr schade. Vermutlich handelt es sich dabei um die genialste Seite in der Geschichte von Grips. Was auch immer es war, wir werden sie vermissen.
Hier habe ich die vierte Seite bewusst entfernt.